«Häusliche Gewalt beginnt nicht erst, wenn es zu sichtbaren Verletzungen kommt»

11. November 2024
Gewalt in der Familie ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet. In der Schweiz ist jede 5. Beziehung betroffen. Die Präventionskampagne «16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen» will für das Thema sensibilisieren und aufklären. Zum Beispiel mit dem Forumtheater «E Gwalts-Überraschig», das auf spannende und humorvolle Art die Probleme zur Sprache bringt. Sandra Fausch, Geschäftsleiterin Frauenhaus und Beratungsstelle Zürcher Oberland, erklärt im Interview was es sonst noch mit den Aktionstagen auf sich hat und wie sich die Zusammenarbeit mit der Stadt Uster gestaltet.

Welche Hauptaufgaben hat das Frauenhaus Zürcher Oberland, und wie unterstützt es Frauen, die von Gewalt betroffen sind?

Unser Angebot bietet gewaltbetroffenen Frauen und Kindern Schutz, Unterkunft, individuelle Beratung und Begleitung an einem anonymen, sicheren Ort. Wir unterstützen sie dabei, zur Ruhe zu kommen, Perspektiven zu entwickeln und den Weg in ein gewaltfreies Leben zu finden.

Könnten Sie uns einen Einblick geben, wie viele Frauen und Kinder das Frauenhaus jährlich betreut und wie sich diese Zahlen in den letzten Jahren verändert haben?

Im Jahr 2023 suchten 82 Frauen und 106 Kinder an insgesamt 6188 Aufenthaltstagen Schutz im Frauenhaus. Die Zahlen sind seit 2019 massiv gestiegen. Seit da hat das Frauenhaus Zürcher Oberland seine Platzzahl verdoppelt. Wir bieten heute 10 Zimmer mit Total 32 Betten für gewaltbetroffene Frauen und Kinder. Die Plätze sind seit langem hoch ausgelastet.

Wie wichtig ist die Unterstützung durch Städte wie Uster für die Aktionstage und die Aufmerksamkeit für das Thema Gewalt gegen Frauen?

Die Sensibilisierung für das Thema Gewalt gegen Frauen ist sehr wichtig, da die Opferhilfe Zürich und die spezifischen Angebote für gewaltbetroffene Frauen nach wie vor nicht alle Betroffenen erreichen. Eine neuste Studie der ZHAW von diesem Sommer zeigt dies erneut auf. Damit möglichst viele Betroffene Hilfe und Unterstützung erhalten, ist eine breite Öffentlichkeitsarbeit von verschiedenen Stellen sehr wichtig. Die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen sind dafür eine sehr gute Möglichkeit. Dass sich eine Stadt wie Uster hier engagiert und Verantwortung übernimmt, ist sehr schön und wichtig. Die Stadt hat eine grosse Reichweite, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Woher stammt die Idee der 16 Aktionstage gegen Gewalt an Frauen?

Die Kampagne «16 Days of Activism Against Gender Violence» wurde 1991 vom Women's Global Leadership Institute ins Leben gerufen. Die 16 Tage beginnen immer am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, und enden am 10. Dezember, am Tag der Menschenrechte. Mit diesen Daten soll deutlich gemacht werden, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Gewalt gegen Frauen ist deshalb immer auch eine Menschenrechtsverletzung.

Was erwartet die Besucher des Forumtheaters «E Gwalts-Überraschig» am 27. November im Central Uster?

Häusliche Gewalt beginnt nicht erst, wenn es zu sichtbaren Verletzungen kommt – sie äussert sich oft subtiler. Das Forumtheater «E Gwalts-Überraschig» will diese Grauzonen aufdecken. Das Publikum erlebt mit, wie demütigend und erniedrigend häusliche Gewalt sein kann, und dass sie vor keiner Tür und keiner Gesellschaftsschicht Halt macht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer können aktiv in gespielte Szenen eingreifen, sie verändern und so den Verlauf beeinflussen.

Was hoffen Sie, dass durch die 16 Aktionstage erreicht wird – sowohl kurzfristig für Betroffene als auch langfristig für die Gesellschaft?

Mit den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen wollen wir die Gesellschaft für dieses Thema sensibilisieren und gewaltbetroffene Frauen und Kinder damit in Zukunft noch besser schützen und unterstützen.

Gibt es eine Botschaft, die Sie Frauen oder auch der Gesellschaft insgesamt mitgeben möchten, besonders im Rahmen der 16 Aktionstage?

Gewalt gegen Frauen und Häusliche Gewalt geht uns alle an. Setzen wir gemeinsam ein Zeichen dagegen!

Mehr dazu: www.uster.ch/16tage

Bild Sandra Fausch
Sandra Fausch, Geschäftsleiterin Frauenhaus und Beratungsstelle Zürcher Oberland