DER USTERTAG

Am 22. November 1830 strömten rund 10 000 Menschen auf den Ustermer Zimikerhügel, um auf friedliche Weise gegen die Bevormundung der Landschaft durch die Stadt zu demonstrieren. Ein für die Geschichte des Kantons Zürich einschneidendes Ereignis, dessen alljährlich an einem Sonntag Mitte/Ende November mit einer Feier in der reformierten Kirche von Uster gedacht wird.

Für die Festansprache gewinnt das organisierende Ustertagskomitee jeweils bedeutende Schweizer Politikerinnen und Politiker oder Exponenten von Militär, Wirtschaft und Kultur. Musikalische Beiträge umrahmen die Feier. Nach dem Festakt ist die Bevölkerung zu einem Apéro eingeladen, dem das traditionelle Risotto-Essen folgt.

Ustertag 2024
Die Feier findet am Sonntag, 24. November 2024, statt.

Allgemeine und aktuelle Informationen zum Ustertag finden sich auf www.ustertag.ch.


Ustertag


DIE GESCHICHTE DES USTERTAGS

Wie kam es zu diesem denkwürdigen Anlass, der die so genannte zürcherische Regenerationsepoche einleitete und der zu Recht bis heute gefeiert wird?

Im Mittelalter erwarb die Stadt Zürich grosse Teile der ländlichen Gebiete. Als erkaufte Untertanen standen die Landleute unter der Abhängigkeit ihrer Zürcher Herren. Die Landbevölkerung war schlecht bis gar nicht gebildet und stand politisch wie auch wirtschaftlich unter dem Druck der Stadt. Erst mit der helvetischen Revolution 1798 proklamierte man die Freiheit und Gleichheit, was die rechtliche Gleichstellung von Stadt und Landschaft garantieren sollte. Dies war aber nur ein kurzes demokratisches Zwischenspiel unter Druck der französischen Besatzer, die Landschaft aber konnte immerhin zum ersten Mal eine demokratische Gesellschaftsordnung ertasten.

Mit der Restauration 1814 witterten die Herrschaften Morgenluft, um ihre verlorene Macht wieder herzustellen. Sie erliessen unter Umgehung des Volkswillens eine neue Verfassung, die sich ganz nach ihren Wünschen und der konservativen europäischen Mächte richtete. Die Bürger auf dem Lande hatten das Nachsehen, was nicht weiter verwundern konnte, waren sie doch in den Räten stark untervertreten. Diese Verfassung gab schliesslich den Ausschlag für die politische Entwicklung, die zum Liberalismus und zum Ustertag führte.

Das ländliche Volk begann sich langsam zu bilden. Meist auf Eigeninitiative – und zur Zeit der Restauration ohne staatliche Zuschüsse – wurden gegen neunzig neue Schulhäuser gebaut. Auch wurden Gemeindevereine gegründet, die ebenso wie die neuen gemeinnützigen Anstalten auf eine immer selbstständiger und selbstbewusster operierende Landbevölkerung hindeuteten. Langsam konnte die Presse auch die mangelhafte Schulbildung ergänzen und die Leute mit neuen Ideen vertraut machen. Die um Paul Usteri gebildete Opposition, die an den Idealen der Helvetik festhielt, kritisierte die Arbeit des kleinen Rates, die rückständig und unwissenschaftlich sei. Die von Usteri geführte Neue Zürcher Zeitung und auch andere Blätter trugen die Kritik an die Öffentlichkeit. Die Verfassung, die keine Revisionsklausel enthielt, und die Regierung wurden immer unpopulärer. Jüngere Kräfte strebten immer mehr nach Geltung. Der Sturz der Aristokratie war nicht mehr aufzuhalten.

Die Bewegung, die den Sturz ermöglichte, begann – wie so oft in der Zürcher Geschichte – am Zürichsee.
Die Julirevolution in Paris wirkte zündend auf die Kräfte der Regeneration in verschiedenen Schweizer Kantonen. Angeregt von einer ähnlichen Situation im Kanton Thurgau wurde der Kanton Zürich von einer raschen Bewegung aus allen möglichen Bevölkerungsgruppen erfasst. Vor allem Dr. Ludwig Snell half den Umschwung vorzubereiten, indem er etliche Denkschriften verfasste. Mit dem Memorial von Küsnacht wies er dem Liberalismus im Kanton Zürich seinen Weg. Kurze Zeit später versammelten sich rund hundert Männer in Stäfa und beschlossen, eine Tagung in Uster abzuhalten, dem zentralsten Ort im Kanton Zürich mit einer grossen Kirche.

Sehr schnell gelang es ihnen, das Volk aufzubieten, um die Missstände anzuprangern. Am 22. November 1830 zogen die Massen aus allen Gegenden in Richtung Uster. Die Kirche hatte jedoch nicht genügend Platz für die laut Quellen 10 000 bis 12 000 Personen. Kurzerhand wurde die Tagung auf den Zimikerhügel verlegt. In einer gemessenen Ansprache eröffnete «der kluge Müller» Heinrich Gujer die Versammlung. Als zweiter Redner trat Dr. Hegetschweiler auf die Bühne. Berauscht und hingerissen von der allgemeinen Begeisterung, begann er mit den denkwürdigen Worten Schillers: «Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei und würd er in Ketten geboren, ...». Er machte auf die Nachteile der damals geltenden Verfassung aufmerksam und mahnte gleichzeitig zu einer friedlichen Ordnung, damit die Wünsche auch kundgetan werden könnten. Der dritte Redner, der aus Wädenswil stammende «Helfer Pestalozzis» und «Enthusiast» Steffan, verlas die verschiedenen Punkte, die man dem Rat einreichen wollte. Sie verlangten Steuererleichterung, Ablösung der Lasten des Grundbesitzes, Herabsetzung des Zinsfusses und dergleichen. Aufgrund einer offenen Abstimmung wurden die Volkswünsche im Ustermemorial zusammengefasst. Das Volk hatte gesprochen. Am Abend ging man einträchtig und fröhlich nach Hause, und keine Ausschreitung hatte den Tag in Uster getrübt. Nachdem am 6. Dezember die neuen Grossräte mit zwei Dritteln Landvertretern gewählt worden waren, wurde bereits im März 1831 die neue Verfassung in Kraft gesetzt. Mit dem Ustertag trat der Kanton Zürich in eine neue Ära seiner Geschichte ein.

Auf dem Zimikerhügel erinnert der Ustertag-Gedenkstein an die denkwürdige Veranstaltung.

Quelle: Paul-Kläui-Bibliothek

Die Website zum Ustertag: www.ustertag.ch