15 Stadtentwicklung (1855 bis 1914)
Vorausschauende Entwicklung
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich Uster unkoordiniert entwickelt, also ohne Planung. Meist wurde Bestehendes erweitert (Flarze entstanden) oder es wurde den Weggrenzen entlang gebaut, was zu einem sogenannten Strassendorf führte (Zentralstrasse, Florastrasse). Das änderte sich mit dem Anschluss an die Eisenbahn im Jahre 1856. Uster war für ein Jahr Kopfbahnhof, also Endstation. Der Architekt der Strecke, Kaspar Wetli, war so klug, das Stationsgebäude dorthin zu setzen, wo es heute noch steht, zusammen mit den beiden Remisen. In einem Schreiben an den Gemeinderat begründete er dies bereits im Jahr 1855 mit der Möglichkeit, den Bahnhof in die Ortsentwicklung mit einzubeziehen. Uster nahm dies dankend an und baute bereits im selben Jahr die heutige Bahnhofstrasse, beginnend vom damaligen Ortszentrum, um den Bahnhofplatz zu erschliessen. Es war die erste geplante Strasse, die ohne Windung, also schnurgerade, gebaut wurde.
Schachbrett und Baulinien
Uster erhoffte sich mit dem Bahnhof an Prestige zu gewinnen und baute die Umgebung gegenüber der Station zwischen 1860 und 1897 besonders imposant aus. In jenen Jahren entstanden um die Bahnstrecke herum gerade Strassen, die sich meist rechtwinklig kreuzen. Ihnen entlang wurden dann die Häuser errichtet, meist einer Baulinie folgend, obgleich dies noch gar nicht vorgeschrieben war. Nach und nach wurden Strassen begradigt oder neu gebaut. Ganze Viertel entstanden neu, wie etwa zwischen 1898 und 1912 die Lenzlinger Siedlung in Niederuster, die dem Schema der so genannten Gartenstadt folgt, nach der die Natur in die Umgebung des Hauses gehörte. Auf diese Weise weitete sich Usters Ortsgrenze bis 1900 im Wesentlichen bis zu der heute noch gültigen aus.
Fortschritte in Hygiene, Wasserversorgung und Elektrizität
Auch die Modernisierung schritt voran. In den 1880er Jahren wurde der Aabach begradigt und dadurch entschärft, nachdem er zuvor mehrmals über die Ufer getreten und auch schwere Schäden am Schienenkörper hinterlassen hatte. Zur selben Zeit wurden eine moderne Wasserversorgung und Abwasserentsorgung gebaut. Letztere kannte damals noch keine Klärung – alles wurde in den Aabach und den Fabrikkanal geleert, so dass die Ustermer Gewässer bald zur Kloake verkamen.
Uster war ein Fabrikdorf des Fortschritts. Besonders Kirchuster ging dem Trend voran. Die Gemeinde installierte vergleichsweise früh Elektrizität (E-Werk an der Asylstrasse 10 von 1897) in erster Linie für die Strassenbeleuchtung. Noch im gleichen Jahr wurde am Bahnhof das erste Telephon installiert, nachdem die Telegraphie bereits kurz nach der Eisenbahneröffnung 1856 eingeführt worden war. Bezüglich Einführung der Elektrizität hinkten Ober- und Niederuster ihrer Nachbarin um Jahrzehnte hinterher: Die beiden Zivilgemeinden führten sie erst 1920 für die Strassenbeleuchtung ein. Sie zogen Gas vor, das ab 1908 eigens in einem Gaswerk in Kirchuster an der Dammstrasse produziert wurde. Dieses wurde 1964 abgerissen.
Am 26. Mai 1909 wurde die Uster-Oetwil-Bahn eingeweiht, eine erste Regionalbahn, die den heutigen Regionalverkehr vorwegnahm. Der erwartete Erfolg stellte sich jedoch nicht ein. Die Bahn wurde 1949 eingestellt und durch Busse ersetzt.